aktuelle News Nichts hält sich hartnäckiger als ein Vorurteil. Das gilt für das Olympische Dorf, vulgo O-Dorf, im Osten von Innsbruck. Mehr als 50 Jahre haben die ältesten Hochhäuser auf dem Buckel, die für Olympia 1964 gebaut wurden. Und immer noch haftet dem Viertel der Ruf eines sozialen Brennpunktes an. Kriminalität, Drogen, Ausländerprobleme, das ganze Programm. Eine filmische Dokumentation, derzeit zu sehen im Leokino, beleuchtet den schlechten Ruf dieses Wohngebiets zwischen Schützenstraße und Inn.  Wie lebt es sich wirklich im O-Dorf? Wer könnte das besser wissen als jene rund 7000 Menschen, die hier wohnen. Gerhard (47) eilt gerade über den Alois-Lugger-Platz. Er ist vor neun Jahren, auf der Suche nach einer größeren Wohnung, ins O-Dorf gezogen, allen Unkenrufen zum Trotz. „Ich bin gerne hier, genieße das viele Grün und die gute Infrastruktur“, sagt der Familienvater. Probleme mit Mitbewohnern seien selten, wenn es Streit gibt, „dann eher unter Einheimischen und nicht mit den Migranten“. Deren Anteil ist im O-Dorf hoch. 15,8 Prozent beträgt der Ausländerquote. Eingebürgerte sind darin nicht mitgerechnet.

Auf einer Bank genießen Sükran und Sare die Vormittagssonne. Die beiden Frauen Mitte 30 haben türkische Vorfahren und die österreichische bzw. deutsche Staatsbürgerschaft. Sie kommen mit den Kindern hierher zum Spielen. Nicht immer sind sie erfreut, was sie zu hören bekommen. „Gerade unter den älteren Leuten gibt es Ausländerfeindlichkeit“, spricht Sükran, die ein Kopftuch trägt, ein heikles Thema an.

Zusammenleben und Integration, das ist auch für den örtlichen Pfarrer Jörg Schlechl das Hauptthema im O-Dorf. Menschen aus 55 Nationen leben hier auf engem Raum. „Nur 44 Prozent sind Katholiken“, weiß Hochwürden. Er kann sich dennoch über eine volle Piuskirche bei Messen am Wochenende freuen.

Das moderne Gotteshaus, fertiggestellt 1960, ist ein architektonisches Juwel, stammt es doch vom bekannten Tiroler Architekten Josef Lackner. „Noch heute kommen Baustudenten von der Uni und bewundern die Kirche“, sagt Schlechl nicht ohne Stolz.

Draußen, im weltlichen Ambiente des O-Dorfes, zieht ein rühriger 73-Jähriger seine Kreise. Friedl Ludescher, Hofrat des Landes im (Un-)Ruhestand, lebt seit 1968 hier und ist Chef des VNO, des Verbandes Neuarzl-Olympisches Dorf. Unter dessen Dach hat Ludescher örtliche Vereine versammelt: Trachtler, Schützen, Musikkapelle, Philatelisten, drei Sportvereine. 1500 bis 2000 Menschen engagieren sich insgesamt ehrenamtlich, schätzt Ludescher. Auch Zuwanderer sind darunter.

Im Café Hufeisen in der An-der-Lan-Straße hat sich eine Runde alteingesessener O-Dörfler versammelt. Barbara (54) ist 1964, nach Ende der Olympischen Spiele, als Kleinkind hier eingezogen. Niemals würde sie wieder weggehen. Auch wenn die Zeiten, da das O-Dorf mit seinen unverbauten Hügeln einem Kinderparadies glich, längst vorbei sind.

Der hohe Ausländeranteil bereitet der „Ureinwohnerin“ keine Sorgen. Das Miteinander brauche eben Zeit, Kinder würden sich da leichtertun. „Am Spielplatz funktioniert das schon.“

„Wir und die Ausländer leben halt eher nebenei­nander als zusammen“, sagt Christian. Der 50-Jährige ist Hausmeister, zuständig für 240 Wohnungen. Früher waren Hausmeister im Viertel gefürchtet. „Da durfte aus optischen Gründen nichts über das Balkongeländer hervorlugen“, erinnert sich Horst. Der Norddeutsche ist der Liebe wegen nach Tirol übersiedelt. Mit seiner aus Schmirn stammenden Frau Paula lebt er seit 42 Jahren im O-Dorf.

Anekdote reiht sich an Anekdote. Die versammelte Runde scheint mit ihrer Wohnsituation rundum zufrieden. Es hat ganz den Anschein, als ob das, was andere über das Olympische Dorf sagen, gar nicht so wichtig sei.

Und was meint die Polizei? „Das Olympische Dorf weist eine niedrige Kriminalitätsrate auf, vergleichbar mit Pradl oder Hötting“, betont Stadtpolizeichef Martin Kirchler. Die Problemzonen seien anderswo – sicher nicht hier am Rande der Stadt.

QUELLE: TIROLER TAGESZEITUNG ONLINE